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Tianmu (Tenmuko) Teeschale - Was ist Tianmu?

Lo Senhao bezeichnet Tianmu als Quintessenz der Erde. Die Erde ist Tianmu. Der Keramiker verwendet die Zusammensetzung der wichtigsten Mineralien auf der Erde als eine Formel für die Glasur, um die legendäre Keramik aus dem 11. Jahrhundert zu brennen.
Was ist Tianmu? Was macht diese Keramik so geheimnisvoll, dass Kaiser, Shoguns, Mönche und Gelehrten sie begehrten und für sie dichteten? Weshalb gelingt es dieser Keramik kulturelle Grenzen zu überschreiten, nationale Blockade aufzuheben, Menschen über Zeit und Raum hinaus zu vereinen?

Tianmu wird als Pupille der Galaxie bezeichnet. Das Auge des Universums, in dem die Lichter wie Sterne wimmeln. Eine Tianmu-Schale in den Händen zu halten, gleicht der Einsicht, die Funken der Zukunft zu ahnen und das Universum zu umarmen.

Ursprünglich ist diese Keramik in einem südchinesischen Kloster während der Song Dynastie im 11. Jahrhundert in Fujian entstanden. Die Mönche tranken Tee als meditative Hilfe auf ihrem spirituellen Weg. Die unfassbar tiefgründige Oberfläche der Schale reflektiert die Sterne im Nachhimmel und strahlt die tiefe Schönheit des Universums aus. Der Betrachter ist berührt durch die Erleuchtung ähnlicher Erfahrungen, als ob man ins Geheimnis des Universums eingeweiht würde und erfüllt von tiefer Zufriedenheit, als würde man zu Hause ankommen. Hier gibt es nichts mehr zu wünschen; nichts ist zu sagen; nichts mehr. Im Buddhismus wird dieser Zustand als Verweilen in der Leere verstanden, als vollkommene Freiheit des Daseins. Eine solche Schale in der Hand zu halten ist wie ein Spiegel für die Seele – Wo bist du im Universum? Ein Weckruf an die Seele, eine Aufforderung in deine innere Galaxie zu reisen. Ein Funken aus der Zukunft – einen Samen der Schönheit setzen im Hier und Jetzt. Nur in einer Welt erfüllt von solchen Samen und von Kunst können wir den Frieden nachhaltig pflegen und eine Welt ohne Krieg gestalten.

Verschiedene Varianten von Tianmu (Tenmoku)

Verschiedene Varianten von Tianmu vermitteln den reichen Ausdruck an Beziehungen der Menschen zum Universum. Was Lo Senhao uns hier präsentiert, sind hauptsächlich diese drei Varianten: Tuhao-Hasenhaar Tianmu (japanisch: Togami Tenmoku); Youdi-Öl Tropfen Tianmu (japanisch: Yuteki Tenmoku); Muye Tianmu (japanisch: Kokoha Tenmoku).

Tuhao Tianmu galt im 16. Jahrhundert in Japan als drittwertvollste Tianmu-Werke. Der Wert einer solchen Schale entsprach 3000 Rollen Seide. Das Bild von Tuhao Tianmu ist so zu verstehen wie das feine geschmeidige Fell eines Hasen. Die Farben können golden, silber oder braun sein. Die Beschaffenheit der Haare kann lang oder kurz; dick oder fein; gerade oder wellig sein. Die Oberfläche erinnert uns an Sternschnuppen oder an den bewegten wellenreichen Ozean.

Youdi Tianmu galt im 16. Jahrhundert In Japan als zweitwertvollste Tianmu-Keramik, ihr Wert wurde mit 5000 Rollen Seide beziffert. Youdi – Yuteki – Öl Tropfen ist eine japanische Leseart. Im alten China wurde diese Glasur als Sheguban (Feder von Francolinus, einer Vogelart) bezeichnet. Die Oberfläche dieser Schale scheint das funkendelnde Firmament widerzugeben.

Muye Tianmu (Kokoha Tenmoku) ist das Blatt eines Baumes, das auf eine meist schwarz glasierte Schale gebrannt wird. Die Schale sieht nicht nur sehr ästhetisch aus, sie ist auch schwer zu produzieren. Das Blatt wird beim Brennvorgang in die Schale gelegt, die Grösse des Blatt verkleinert sich innert Sekunden, und die Asche des verbrannten Blattes hinterlässt den Rahmen, in dem sich durch chemische Reaktion das Bild als Kristall herausbildet. Unter einer Lichtluppe lässt sich die feine Kristallisierung des Blattes und die tiefgründige Weite des Universums in der Glasur bewundern. Einfach ein Blatt hineinzulegen, scheint schwierig genug zu sein, die lebendige Bewegung des Blattes zwischen Feuer und Wind im Ofen aufzufangen und darzustellen gehört zum schöpferischen Weg eines Künstlers wie Lo Senhao.

Die Erde ist Tenmoku

Der Eisengehalt der Tianmu-Glasur liegt bei 6 bis zu 8 Prozent, und das ist exakt der Eisengehalt der Erde und auch der Eisengehalt des menschlichen Blutes. Der Mensch, die Erde und Tianmu haben viele Gemeinsamkeiten. Sie mögen unterschiedliche Formen annehmen, am Ende aber werden sie immer zu Staub. Lo erzählte, nach der der Beerdigung seiner Mutter habe er verstanden, dass sämtliche Lebewesen schließlich zu Feinstaub werden. Seitdem spüre der den Schmerz der Erde, wenn er auf ihr steht.

Wenn der Wind weht, folgt oft Regen. Wenn sich das Regenwasser mit der Erde vermischt, formen menschliche Hände ein Gefäss daraus und stellen es ins Feuer. Das Feuer nährt sich von Wind und verdunstet das Wasser. Das Gefäss wird geboren als Keramik, die Menschen dabei unterstützt, ihre Rituale mit dem Jenseits durchzuführen und als Gefäss im Alltag zu dienen. Irgendwann zerfällt die Schale wieder zum Staub. Auch der Mensch wird irgendwann zu Asche, zu Staub und zu Erde. Mit Wasser vermischt und transformiert durch Feuer wird wieder ein Gefäss daraus.

Dieser Verwandlungsprozess geschieht durch das menschliche Bewusstsein, indem der Mensch die Elemente Wasser, Erde, Wind und Feuer bewusst mischt, einen Prozess geschehen lässt und abwartet. Aber das Ergebnis dieser Verwandlung lässt sich nicht von menschlichem Kalkül kontrollieren. Das geschieht durch eine Kette von Zufällen. Man könnte diese Einflüsse auch als «Dao» bezeichnen. Ein Naturgesetz, das sich nicht mit dem Verstand begreifen lässt, sondern durch intuitives Betrachten wahrgenommen werden kann. Lo sagte, «100 Versuche, Tianmu zu brennen, bringt 100 verschiedene Tianmu Werke hervor.» Jedes Werk ist entstanden durch eine Kette von Zufällen. Das Dao führt beim Zusammenwirken von Wind, Feuer, Wasser und Erde. Durch langfristige bewusste Beobachtung lernt Lo, Erfahrungen verschiedener Pflanzen im Feuer zu sammeln. Das Zusammenspiel von verschiedenenen Arten von Wasser und Flüssigkeiten mit Erde zu erkennen. Auch die Stärke des Winds beeinflusst das Feuer im Ofen und erzeugt unterschiedliche Effekte. Die Zeit als entscheidender Faktor beeinflusst nachhaltig die Kristallisierung der Glasur. Der Mensch harmonisiert sich mit diesem Gesetz des Zusammenspiels der Elemente und lässt seinen Willen los. Wenn das Dao im Bewusstsein fliesst, wenn alles in eins wird, wird ein Werk des Tianmu geboren als Geschenk des Kosmos. Tianmu ist die Praxis des Daos.

Tianmu als Spiegel unserer Seele

Lo berichtet, das Produzieren von Tianmu sei stets ein instabiler Zustand. Die atemberaubende Kristallisierung an der Oberfläche kann infolge Temperaturschwankungen verschwinden – so wie unser Leben und der Weltfrieden. Der Mensch kann sich an den Fluss des Dao halten. Kommen und Gehen zu rechten Zeit. Ohne ein Bewusstsein von Dao trauert man der Vergänglichkeit hin zum Staub als dem Ende eines Prozesses nach ohne zu wissen, dass sich zugleich ein neuer Anfang gestaltet. Ohne ein Bewusstsein von Dao versucht man vergeblich an Schönheit oder Frieden festzuhalten, ohne zu verstehen, dass alles unbeständig und unkontrollierbar ist und wir am Ende alle zu Staub werden. Eine Tianmu-Schale zu betrachten, könnte man als eine Hilfe verstehen, das Wesentliche des Lebens zu erkennen: Das Beständige im Leben ist die Unbeständigkeit.

Tee und Tianmu

Ein Teesamen fällt auf die Erde. Der Same wird zu einer Pflanze und arbeitet an seinem Lebenskreislauf, sowie der Frühling kommt. Ohne menschlichen Eingriff wachsen die Pflanzen üppig im Sommer, und sie verwelken im Herbst. Kommen und Gehen. Hin zu Feinstaub, ein Kreislauf wie das menschliche Leben. Das ist Dao. Falls Menschen bewusst die Blätter im Frühling pflücken, schonend mit viel Rücksicht die Blätter bearbeiten, werden die sterbenden Blätter in einem Prozess verwandelt wie in einer alchemistischen Transformation. Die sorgfältig verarbeiteten Teeblätter werden zu einer Essenz, und sie zeigen sich uns in ihrer trockenen Form, die sich mit Zusatz von heißem Wasser in einer Schale entfalten wird – wie neu geboren. Etwas Ähnliches geschieht bei Tianmu. Alle Lebewesen werden geboren, sie verwelken und verwandeln sich zu feinem Staub. Alles dreht sich in einem Kreis, wie die Teeschale auf der Drehscheibe, die während des Drehens vielleicht auf einen Durchbruch wartet. Aus feinem Staub von getrunken Teeblätter, von Pflanzen, von Gesteinen und von Tieren vermischt mit Wasser wird das Gefäß in einem Kreis gedreht und im Feuer zur Transformation gebracht. Der Ofen ist wie ein alchemistisches Gefäß. Die Ansammlung von Feinstaub wird zu einer Offenbarung der Galaxie neu geboren. Wenn ein verwelktes Blatt, das den Zyklus seines Lebens hinter sich gebracht hat, auf die glasierte Schale gelegt wird, wird das Blatt innert Sekunden im Ofen zu einem Fossil verwandelt, und es hinterlässt sein Lebenszeichen wie eine Fußnote von Momenten, wie ein Weckruf an den Betrachter, «Atme, trinke, lebe!» Der wie Phönix aus de Asche neu geborene Tee kann nun mit dem Lebenselixier Wasser aufgegossen werden und versetzt uns ins Reich der Sinne. Der Tee in einer Schale von Muye Tianmu gleicht einer Auferstehung des unsterblichen Blattes, das Menschen geistig erfrischt und ihren Körper energetisiert. In diesem Moment gelingt es dem Tee scheinbar, den ewigen Kreislauf zu durchbrechen und die Grenzen von Raum und Zeit zu überwinden.

Die Betrachtung von Tenmoku erlaubt dem Betrachter einen Blick in die Offenbarung des Universums. Öl-Tropfen-Tianmu (Yuteki Tenmuku) versetzen den Betrachter mit einem Raumschiff in die Galaxie. Atemberaubende Phänomen von umgebenden leuchtenden Sternen lassen Worte schweigen. Nichts. Leere und Fülle; Anfang und das Ende vereinen sich im Nichts, Während das Muye Tianmu (Konoha Tenmoku) mit dem lebendigen Aufruf des Blattes den Betrachter aus der feinen Reise eines Raumschiffes zurück ins Hier und Jetzt bringt. Lo Senhao beschreibt die Magie der Tianmu Schale als Wegweiser zurück zu sich selbst. Für ihn besitzt Tianmu eine symbolische und mystische Kraft. Wenn der Betrachter anstatt mit bloßen Augen, sondern mit seiner Seele die Schale betrachtet, wird ihm der Strahl aus dem Auge des Universums enthüllt. Das Bild der Glasur gleicht gleichzeitig einem Auge, das den Betrachter in ein tiefes schwarzes Loch zieht und in die gleiche Richtung wie das Universum zu drehen bringt. Während der Keramiker durch seinen Zugang zum Dao und sein Beobachtungsvermögen der Natur den Weg zur Tianmu Arbeit findet, führt die Tianmu Schale den Betrachter zurück zur Natur und zum Universum. Ein Kreislauf, der sich immer weiter erneuert. Die Reise vom Herzen zum endlosen Universum ist der spirituelle Weg aller Suchender. Auf dieser Reise ins Nichts ist man nicht einsam. Die Poesie eines Blattes singt mit den Geschmacksnuancen des Tees. Das innere Ende der Reise ist das Auge der Seele, und das andere Ende ist nichts. Die innere Reise in die Galaxie wird begleitet von grünem, blauem und rotem Tee. Bei Kerzenlicht mit Tee in einer Tianmu Schale in den Händen können wir die Grenze zu Zeit und Raum vielleicht überschreiten. Wir können den einstigen Mönchen im südchinesischen Kloster begegnen, mit Ihnen erforschen und atmen. Wir werden eins.

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